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Stadt Gottschee mit Kirche.
Gottscheer Turnverein.
Gottscheer Vogelschutzverein, gegründet von Josef Dornig Senior
Gottscheer Salonorchester.
Josef Dornig Junior beim Geige spielen.
Die Innenstadt von Gottschee.

Alle Bilder: (c) Josef Dornig  jun.

Die Fotos zeigen die Stadt Gottschee sowie das rege kulturelle Leben (den Fußballverein, deutschen Turnverein, den Vogelschutzverein und das von Josef Dornig jun. gegründete Salonorchester, dessen Dirigent er war.
Es gab auch einen Gottscheergesangsverein (Männerchor, gemischter Chor), dessen Chorleiter Dr. Hans Arko war. Sein Stellvertreter war Josef Dornig jun.

 

Das Stadtbild war durch die zweitürmige Kirche und das Schloss Auersperg geprägt. Leider wurde dieses Schloss ein Opfer des 2. Weltkrieges und besteht nicht mehr.

Der Klang der drei Kirchenglocken ist etwas Außergewöhnliches, weil diese gemeinsam ein liebliches Glockenspiel hervorbringen. Für Besucher wäre es empfehlenswert, um 12.00 Uhr mittags eine Pause einzulegen, vor der Kirche innezuhalten und zuzuhören.

 

Die meisten Häuser waren mit kleinen Gärten umgeben. Zusätzlich verschönerten die Villen und Herrschaftshäuser mit ihren Grünanlagen die Stadt. Vom Bahnhof ausgehend erblickte man immer wieder Kastanienbäume bis zum Schulhaus und noch ein Stück weiter.

 

Das Kino wurde gerne besucht. Ich freute mich über den Film „Schneewittchen“. Da der Film in englischer Sprache war, sangen die sieben Zwerge ihr Lied natürlich englisch. Meine Mutter sang mit mir Bruchstücke daraus ohne den Text zu verstehen nach.

 

Verteilt in der Stadt gab es genügend Geschäfte, die ihre Waren jeglicher Art anboten. Darunter waren sehr viele kleine Gasthäuser und einige große Gasthöfe mit Fremdenzimmern und Hotels. Das Gasthaus Dornig wurde bis zur Heirat meiner Eltern von meinen Großeltern geführt. Dann war meine Mutter die Chefin in der Küche, und mein Großvater hielt sich neben der Kellnerin im Gastraum auf. Der Gasthof Harde, Gustl Verderber, besaß Fremdenzimmer und Taxis. Weiters erinnere ich an das Gasthaus Lauschmann am Bahnhof mit Fremdenzimmern, das Gasthaus Tschinkel, der Gasthof Schleimer, das Hotel Post mit Vollpension u.a. Die Cafe-Konditorei der Frau Marek lud zum Verweilen und Genießen ein. Das Hotel „Stadt Triest“ ist zu erwähnen, weil es durch eine Bühne für Theateraufführungen, verschiedene Veranstaltungen, Konzerte, Liedertafeln des Gottscheer Gesangsvereines usw. eingerichtet war. Die Räumlichkeit passte für Bälle ebenso. Das Salonorchester meines Vaters spielte dort auf. Meines Wissens ist es das erste Streichorchester in Gottschee gewesen. Vorher mussten sich die Tänzer mit einem Harmonika-Spieler oder einem Grammophon zufrieden geben. Bei den Konzerten wurden unter anderem Ausschnitte aus Operetten und Ouvertüren zu Opern gespielt.

 

Im Sommer fuhr ein slowenischer Bursche mit seinem Sladoledwagen (Eis/Gefrorenes) durch die Stadt.

Vor dem Schloss befand sich ein Stand mit Obst, Südfrüchten, Gemüse und Süßigkeiten. Im Winter stand dort ein Maronibrater und verkaufte zusätzlich Nüsse.

 

Das imposante Schloss Auersperg wurde von der Fürstenfamilie nicht ständig bewohnt, sondern diente vor allem für Ferienaufenthalte. Es waren hauptsächlich Ämter untergebracht. Das Fürstentum Auersperg hatte sehr viel zum wirtschaftlichen Aufschwung des Gottscheerlandes beigetragen und war und ist den Gottscheern immer noch sehr verbunden, so dass ein großer Dank auszusprechen ist.

 

Für Ausflüge sogar bis ans Meer standen Taxis zu Verfügung. Meine Omama genoss solche Fahrten gemeinsam mit ihrer Schwester Maria Lauschmann (Gasthof am Bahnhof) z.B. nach Susak sehr.

Mit einem Pferdewagen konnte man aufs Land fahren.

 

In unserem Gasthaus traf sich an Montagen die Handwerkervereinigung. Es fanden Kegelabende statt. Cevapcici und Raznici wurden nach dem Rezept meines Opapa im Gastgarten am Rost gebraten. Dieses Angebot soll es nur bei Dornig gegeben haben.

 

Die nach dem 1. Weltkrieg erfolgten Einschränkungen des SHS-Staates den Deutschen gegenüber wurden mit der Zeit etwas gelockert. Außerdem hatte man versucht, die Anordnungen diplomatisch zu umgehen. Die deutschen Gottscheer richteten sich wieder einen Turnverein auf einem anderen Platz ein. Laut Foto gab es eine Fußballmannschaft. In der Bibliothek konnte man sich Bücher in deutscher Sprache ausleihen. Es gab den deutschen Kindergarten. Die Volksschule hatte den Deutschunterricht zu meiner Zeit nur bis zum 1.Semester der zweiten Klasse. Frau Hribar war meine Lehrerin. Ich schätzte sie sehr. Wir begannen mit der Lateinschrift. In der zweiten Klasse übten wir schon die Kurrentschrift.

 

Ich möchte hervorheben, dass das Leben in der Stadt aus meiner Sicht und der Sicht anderer Personen, mit denen ich mich unterhielt, sehr zufriedenstellend war, und wir uns in unserem späteren Leben immer wieder sehr gerne an die vergangene, schöne Zeit in Gottschee zurückerinnern. Es gab alles, was man brauchte. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, das eine Bereicherung jedes einzelnen darstellt, war nirgends mehr zu finden.

 

Stadt und Land mussten sich ebenfalls arrangieren, zusammenzuhalten, weil einer vom anderen abhängig war. Die Stadt brauchte die landwirtschaftlichen Produkte und das Land die Produkte aus der Stadt. Viele Jugendliche, die ins Gymnasium gingen, wurden von Städtern in irgendeiner Form unterstützt. Ein gewisses Miteinander war notwendig. Eine Stadtgottscheerin sprach sogar von einer Geschwisterliebe zwischen Stadt und Land.

 

Es ist bekannt, dass das Gottscheerische aus dem Mittelhochdeutschen hervorgeht. Es ist eigentlich eine Mundart, man spricht aber auch oft von einer gottscheerischen Sprache.

Gottscheerisch wurde in den Dörfern gesprochen. In der Stadt wurde Deutsch mit einem gewissen Akzent und speziellen Ausdrücken gesprochen, wie dies in einer Umgangssprache vorkommt. Man könnte es auch als Bürgerdeutsch bezeichnen.

 

Aufgrund eines Paktes zwischen Hitler und Mussolini marschierte das italienische Militär im April 1941 plötzlich in das Gottscheerland ein. Die Amtssprache war ab sofort italienisch und alle im italienisch besetzten Gebiet erhielten automatisch die italienische Staatsbürgerschaft verliehen. Die Firmenaufschriften mussten italienisch anstatt slowenisch geschrieben werden. Bei uns stand Gasthaus und Trattoria. Außerdem mussten wir italienische Soldaten mit Familien in unseren Häusern aufnehmen. Bei uns wohnte ein Unteroffizier mit Frau und Kind aus Palermo.

Mit Reden und Verteilung von Flugblättern über das ganze Land hatte man die Gottscheer für die Umsiedlung geworben, sozusagen unter Druck gesetzt, dieser zuzustimmen. Schließlich entschieden sich schweren Herzens fast alle deutschen Gottscheer, in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen und dem Ruf „Heim ins Reich“ zu folgen. Auch mich bedrückte es, weil liebgewonnene Menschen zurückblieben, und ich mein geliebtes Zuhause verlassen musste.

 

Die Untersteiermark war deutsches Gebiet, wo die deutschen Gottscheer in verschiedenen Orten, wie z. B. Rann, Gurkfeld, Ratschach u. a. untergebracht wurden. Die Kontakte untereinander konnten somit im bisherigen Umfange nicht mehr fortgesetzt werden. Das eigene schöne, vertraute Heim verlassen zu haben, schmerzte noch immer, und das Gefühl, in fremde Häuser einzuziehen, war sehr bedrückend. Die Amtssprache war deutsch und alle wurden deutsche Staatsbürger.

 

Slowenische Untersteirer mussten ihr Zuhause verlassen, um den Deutschen Platz zu machen. Sie wurden demnach ausgesiedelt und z.B. nach Deutschland gebracht. Viele versuchten nun, sich den Partisanen anzuschließen, um für ihre Freiheit zu kämpfen. So wurde der Hass unter den Menschen genährt.

 

Meine wiedergegebenen Erinnerungen beziehen sich vor allem auf mein persönliches Umfeld und meine daraus resultierenden Lebenserfahrungen.

 

15.11.2016 Brigitte Hübner-Dornig

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